Rezension
Wasser, Luft, Erde und Licht - Elemente des Lebens?

In den antiken Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft steckt eine Weisheit, die in der neuzeitlichen Naturwissenschaft verloren gegangen ist. Zu dieser Ansicht gelangt Klaus Stoevesandt in seinem Buch "Elemente des Lebens". Der Physik- und Mathematiklehrer aus Bielefeld unternimmt einen Rundgang durch die Geschichte der Naturerkenntnis mit dem Ergebnis: Die erhoffte Reduktion des Lebens auf atomare Bausteine hat sich als eine Illusion erwiesen. Stoevesandt über die Grenzen des Reduktionismus: Diese Idee hat sich in den letzten 50 Jahren immer mehr als nicht haltbar erwiesen, weil jede Ebene, auf der man Zusammenhänge untersucht, ihre eigenen Gesetzlichkeiten hat und weil man das, was Leben ausmacht, eben nicht allein von den Atomen her verstehen kann."

Die Anschauung der Alten war intuitiv. Inspiriert vom Organismus der Pflanzen, Tiere und Menschen schauten sie in die Weiten des Kosmos. Ein geordnetes Periodensystem der Elemente, das vom leichten Wasserstoff mit der Ordnungszahl 1 bis zum schweren Fermium mit der Ordnungszahl 100 aufsteigt, kannten sie noch nicht. Dennoch war ihre Mixtur der vier Elemente kein Unsinn. Zutreffend betrachtete Aristoteles die Erde als Heimstatt des Lebens. Seinem Geheimnis suchte der Denker der Antike auf die Spur zu kommen, indem er die Elemente entlang der Koordinaten "Kalt" und "Warm", "Trocken" und "Feucht" vereinte. Und er sollte Recht behalten: Alle hoch organisierten Biomoleküle - ob in Bakterien, in Pflanzen oder in Wirbeltieren - setzen das Feuer der Sonnenenergie, die Nährstoffe der Erde sowie die Löslichkeit des Wassers und die Bestandteile der Luft voraus.

Das Blut in unseren Adern, die Komposterde im Garten oder die frische Luft in den Lungen von Hund und Mensch, alle diese verschiedenen Substanzen enthalten angefangen vom Wasserstoff bis zum Stickstoff eine Mixtur an chemischen Bausteinen, die sich zu einem Periodensystem des Lebens zusammenstellen lassen. Die Entdeckung des Sauerstoffs - der "Feuerluft" - im Jahr 1871 durch den Apotheker Carl Wilhelm Scheele war daher auch eine Sternstunde der Biochemie. Im Periodensystem des Lebens beträgt der Wasserstoffanteil 63 %. und mit 25 % erweist sich der Sauerstoff noch vor dem Kohlenstoff als zweit häufigstes Lebenselement.

In seinem Buch macht Klaus Stoevesandt auf eine überraschende Erkenntnis aufmerksam: "Für alle Lebewesen, gleich welcher Art, werden immer etwa die gleichen 20 Elemente in ähnlicher Konzentration verwendet." (S. 64)

Die biologische Evolution selber ist ein Chemiker, der bestimmte Mixturen bevorzugt. Die alten Griechen haben in ihrer Naturphilosophie erahnt, dass der Organismus ein gestaltendes Prinzip ist. Ihre Weisheit ist im Chemieunterricht der Schulen jedoch kaum gefragt, wie Stoevesandt am Beispiel des Wassers kritisch anmerkt: "Da wird zum Beispiel, wenn es um Wasser geht gesagt: ‚Die alten Griechen haben Wasser für ein Element gehalten, jetzt zeigen wir Euch mal, dass das nicht stimmen kann. Aus dem Wasser können wir Wasserstoff und Sauerstoff gewinnen, also kann Wasser kein Baustein sein.' Damit ist die Sache dann erledigt. Das Wasser hat seine schöne Stellung verloren, die es von den alten Griechen aus der Beobachtung hat, dass ein Samen nur im Wasser anfängt zu wachsen."

Dennoch ist das alte Urelement der Griechen das Fundament des irdischen Lebens: Wasser kann Häute bilden! Die schillernde Seifenblase der Kinder ist die Urgestalt einer jeden Zelle. Das Wasser bildet auch bei der Fortpflanzung der landlebenden Säugetiere das besondere Milieu, in dem die Jungen geschützt von der Fruchtblase zunächst einmal wie Fische im Gewässer heranwachsen.

Noch hat sich die Einsicht, dass der Homo sapiens nicht der Herr, sondern ein Kind der Natur ist, nicht überall durchsetzen können. Doch angefangen von der Vorlesung über "Die Geschichte der Natur" von Carl Friedrich von Weizsäcker bis hin zu den Tierfilmen von Jacques Cousteau gibt es einen vielstimmigen Bewusstseinswandel. Auch das Büchlein "Elemente des Lebens" ist eine der Stimmen dagegen, dass sich die Menschheit auf der Erde weiter wie ein Eroberer auf einem fremden Planeten verhält. Feuer, Wasser, Luft und Erde sind ebenso kosmische Unikate wie das menschliche Gehirn.

03. September 2008                     Dr. Konrad Lindner Wissenschaftsjournalist

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